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  • Amenorrhö & Hormonbalance / Authentizität & Selbstliebe

    „Ich war’s nicht, das war die Pille“… Was die Pille mit uns macht

    Einfluss Pille Psyche

    „Manchmal erkenne ich mich selbst nicht wieder.“ „Ich fühle mich wie fremdgesteuert.“ Oder: „Ich habe keine Lust mehr auf Sex.“

    Willkommen im Pillen-Nebel.

    Die Pille gehört mit 52% zu den beliebtesten Verhütungsmitteln der Deutschen Frauen[1]. Vor allem unter Teenagern ist sie beliebt: 3 von 4 der 19 Jährigen sollen sie schlucken.[2]

    „Noch nie haben mehr Teenager mit der Pille verhütet als heute.“
    Gabriele Merki, Vizepräsidentin der Europäischen Gesellschaft für Kontrazeption [3]

    Verständlicherweise, lockt sie doch mit vielen Vorteilen: Einem sicheren Schutz vor Schwangerschaft, schönerer Haut, volleren Brüste, Linderung bei Regelschmerzen, einer exakten Zykluskontrolle… Man schluckt ein Stück Unabhängigkeit. Und junge Mädchen ein Stück Erwachsensein.

    Doch Schritt für Schritt scheint ein Umdenken stattzufinden. Krankheiten, Skandale, immer mehr Berichte von Mädels, die sich und ihren Körper neu entdeckt haben, nach dem Absetzen von Pille oder NuvaRing… deuten die abnehmenden Verwenderzahlen auf ein Imageproblem der Pille hin?[4]

    Die Pille – ein neues Bewusstsein

    Wir jungen Frauen achten immer mehr darauf, was wir zu uns nehmen (bio, lokal und nachhaltig; bloß keine Kuhmilch; und bitte ohne Gluten) und was wir an unsere Haut lassen (Naturkosmetik, nachhaltige Mode). Da ist es nur natürlich, dass man auch die tägliche Hormondosis der Pille mit der Zeit mit Skepsis betrachtet.

    Die sogenannte Pillenmüdigkeit ist vor allem bei Frauen um die 30 zu spüren[5], die seit ihrer Teenagerzeit jeden Tag eine Tablette schlucken. Denn nach mehr als 10 Jahren „auf Hormonen“ weiß man gar nicht mehr, wie sich der Körper in seinem ursprünglichen Zustand anfühlt. Irgendwann entwickelt man einen immer größeren Widerstand gegen das Schlucken seiner täglichen Medizin. Und setzt ab. Auch medizinische Gründe können natürlich der Grund fürs Absetzen sein, oder ein Kinderwunsch.

    Ich musste aus medizinischen Gründen (wegen meiner Amenorrhö) den NuvaRing absetzen, nach insgesamt 12 Jahren auf Hormonen. Ohne diese medizinische Notwendigkeit hätte ich wohl auch noch lange nicht abgesetzt, denn ich hatte einen regelrechten Horror vor den Nebenwirkungen der Übergangszeit; Haarausfall, unreine Haut, Gewichtsschwankungen.. Doch meine Hormonwerte ließen mir keine Wahl. Das war im März 2016.

    Nach dem Absetzen bekam ich wie befürchtet ein paar Pickelchen, aber alles im Rahmen. Der Rest war durchweg positiv: Ich nahm etwas ab und fühlte mich auch sonst leichter und unbeschwerter. Und lebendiger. Ich hatte mehr Lust auf die Liebe und das Leben, auf Musik, auf Tanzen, auf Ausgehen. Es fühlte sich tatsächlich so an, als hätte sich ein hormoneller Nebel gelichtet, in dem ich all die Jahre gelebt habe.

    Daher stellte sich mir die Frage:

    Wie unabhängig ist man wirklich? Tauscht man mit dem Schlucken der Pille nicht eine Abhängigkeit gegen eine andere ein?

    Pille gleich Freiheit?

    Die Pille hat einen wesentlichen Beitrag auf dem Weg zur Emanzipation für Millionen von Frauen geleistet. Eingeführt am 1. Juni 1961[6] hat sie uns ermöglicht, selbst über unser Leben und die Familienplanung zu bestimmen. Dafür: alle Daumen hoch!

    Doch man darf nicht vergessen, dass die Pille ein Medikament ist. Und zwar das erste Medikament, das Menschen behandelt, die nicht krank sind. Und mit einem Medikament kommen natürlich auch Nebenwirkungen auf Körper und Geist, die oftmals während der Einnahme gar nicht bemerkt werden.

    „Frauen sind sich zu wenig bewusst, was Hormone mit ihnen machen können.“ Øjvind Lidegaard, Professor für Geburtshilfe und Gynäkologie, University of Copenhagen[7]

    Viele Mädchen bekommen die Pille bereits im Teenageralter verschrieben, zumeist nicht als Verhütungsmittel, sondern zur Linderung von Regelschmerzen, PMS, Zyklusstörungen und Akne. Nur noch weniger als 50% der Frauen nutzen die Pille alleinig als „Anti-Baby“ Mittel.[8]

    „The Pill has become the major nonsurgical tool of gynecology.“
    Jerilynn Prior, Professor für Endokrinologie und Metabolismus der University of British Columbia[9]

    Bei diesen zuletzt genannten Pillen, die neben der kontrazeptiven Wirkung auch positive Auswirkungen auf Haut, Haare und Körpergewicht haben, handelt es sich um die sogenannten Lifestyle-Pillen (mehr Infos s. weiter unten), die zu regelrechten Teufelskreis führen können. Denn: Setzt man ab, führen die Begleiterscheinungen des entstandenen Hormonchaos (Pickelalarm, Haarausfall, Gewichtsveränderungen, die zurückgekehrten starken Regelschmerzen, Zyklusstörungen…) dazu, dass man sich oft nicht anders zu helfen weiß, als wieder auf die Pille zurück zu greifen.

    Ist ja auch praktisch: man schluckt eine Pille und das Symptom ist weg. Nur, dass es eben nicht weg ist und nach dem Absetzen (meist) mit geballter Wucht wieder an die Tür klopft.

    Bei Risiken und Nebenwirkungen …

    Dass Pille und NuvaRing wie alle Medikamente Risiken und Nebenwirkungen haben, wird wohl niemanden überraschen. Die bekanntesten Gespenster sind gut erforscht: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Lungenembolien, Thrombosen. Die Zahlen sind bekannt. Und ehrlich gesagt auch nicht so waaahnsinnig abschreckend (ich spreche hier nur für mich und ich bin tendenziell eher risikoaffin ;)).

    Wie abstrakt bitte ist eine Häufigkeit von 9-12 aus 10.000 Frauen (=Thromboserisiko der neueren Pillen[10])? Hand aufs Herz, sind da nicht die Gedanken: „Wird mich schon nicht treffen, ich bin ja schließlich jung und gesund… und wenn schon, dann hatte ich wenigstens ein paar unbeschwerte Jahre. Lebe wild und gefährlich, muhaha!“

    Die Pille und die Psyche

    „Depressionen und Stimmungsschwankungen sind Nebenwirkungen der hor­monellen Verhütung, die ­Frauenärzten seit Jahren bekannt sind.“ David Ehm, Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe [7]

    Doch was ist mit den subtileren Auswirkungen von Pille, NuvaRing & Co.? Dem Einfluss auf unsere Psyche, der zwar viel weiter verbreitet, aber viel weniger diskutiert ist, als die rein körperlichen Risiken. Dem „pill fog“ oder Pillen-Nebel, wie er auch von Pillen-Gegnern genannt wird?

    Was ist mit den depressiven Phasen? Der verminderten Lust auf Sex? Den Stimmungsschwankungen bis hin zu einer veränderten Persönlichkeit? Dem veränderten Identitätsgefühl? Dem Gefühl, dass man fremdgesteuert ist?

    Was ist mit dem Einfluss auf die Partnerwahl?[11] – it’s a thing!

    Siehe auch meine Umfrage inklusive Infografik zum Thema Pille und ihre Nebenwirkungen.

    Man schiebt seinen Gemütszustand auf Stress, oder nimmt ihn als normal hin. Denn wie gesagt, kennen viele von uns ihren Körper ja nur „auf Hormonen“.

    „[…] women on the Pill were twice as likely to experience depression, anxiety, mental numbness, and an inability to feel pleasure from normal activities (known as anhedonia). These kinds of side effects can be among the most frustrating because they’re so easily dismissed by doctors and even by the women experiencing them.“[12]

    Achtung, hier kommt eine Verschwörungstheorie: Glaubt ihr, dass hauptsächlich über die Risiken und Nebenwirkungen Thrombosen, Embolien und Infarkte von Pille & Co. gesprochen wird, um den Fokus abzulenken von den subtileren Auswirkungen auf unsere Psyche?

    Auch wenn die Studienlage bislang dünn ist, die Konsequenzen sind nicht weniger spürbar.

    „Pick your poison“

    Nachdem ich den NuvaRing abgesetzt hatte, kam ich irgendwann an einen Punkt, an dem ich nur noch frustriert war von der gesamten Verhütungssituation.

    Pille und NuvaRing? Beeinflussen Körper und Geist und haben mir eine schöne Zyklusstörung in Form einer Amenorrhö beschert.
    Kupferspirale? Fremdkörperalarm und verstärkte Regelschmerzen.
    Alternative Verhütungsmittel wie die Temperaturmethode, Diaphragma oder die mexikanische Yamswurzel? Irgendwie nicht vertrauenserweckend.

    Verhütung ist schließlich nicht das am Besten geeignete Thema für Trial-and-Error Versuche… bleiben die guten alten Kondome. Die wir ja sowieso alle zusätzlich verwenden als Schutz vor Krankheiten, nicht wahr?!

    Jedenfalls kann man echt das Gefühl bekommen, dass man beim Thema Verhütung nur verlieren kann. „Pick your poison“ – sicherer Schutz durch synthetische Hormone trotz Risiken und Nebenwirkungen, oder erhöhtes Schwangerschafts-Risiko bei mehr Natürlichkeit, was darf es sein?

    Lange Rede, kurzer Sinn

    Jede von uns soll frei entscheiden können, ob und wie sie verhütet. Doch die Entscheidung sollte informiert getroffen werden können.

    Die Pille funktioniert gut für viele Frauen. Und vor allem bei jungen Mädchen sollte auf einen sicheren Schutz vor Schwangerschaft geachtet werden; denn das traumatische Erlebnis einer Abtreibung sollte keine Option sein müssen.

    Dennoch ist es wichtig, dass wir mehr über die Risiken und Nebenwirkungen sprechen, die hormonelle Verhütungsmittel auf unsere Psyche haben können.

    Wenn du oft traurig bist, düstere Gedanken hast, dich nicht mehr richtig freuen kannst oder Angst hast – denk auch daran, dass das deine Pille oder dein NuvaRing sein kann und suche die Schuld nicht bei dir.

    Zudem sollte die Pille nicht als Allheilmittel betrachtet werden, die in Null-Komma-Nix verschrieben wird gegen Regelschmerzen, PMS oder Akne, aus Mangel an Kenntnis und Muße, sich mit den eigentlichen Ursachen auseinander zu setzen.

    Für mich gibt es jedenfalls keinen Weg mehr zurück zu hormonellen Verhütungsmitteln mehr.

    Pill fog? Nein, danke!

     

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    Exkurs: Pille ist nicht gleich Pille

    Wenn wir von „der Pille“ sprechen ist meist von der Mikropille die Rede, einem Kombipräparat aus den beiden Hormonen Östrogen und Gestagen. Es gibt auch reine Gestagen-Pillen, die heißen dann Minipillen. Letztere sind aber nicht besonders beliebt, nur ca. 1% der Deutschen Frauen verhüten damit, denn: um sicher wirken zu können, müssen sie immer zur exakt gleichen Zeit genommen werden, während bei der Mikropille ein Spielraum von mehreren Stunden besteht. Zudem ist das Risiko für Zyklusstörungen erhöht [13]. Also einigen wir uns darauf: „die Pille“ = die Mikropille.

    Vielleicht hast du auch schonmal von den verschiedenen Generationen der Pille gehört? Auch hier ist wieder das Gestagen entscheidend für die Zuordnung. In Pillen der ersten und zweiten Generation ist Levonorgestrel enthalten, die neueren Pillen der dritten und vierten Generation finden sich neue Gestagene wie beispielsweise Gestoden, Drospirenon oder Desogestrel.

    „Es ist bedenklich, dass die neueren Pillen manchmal primär für den Lifestyle genutzt werden – und nicht für die Verhütung.“[14] Stephan Krähenbühl, Präsident der Swissmedic-Expertenkommission für Medikamentenzulassung

    Wenn von „Lifestyle-Pillen“ die Rede ist, dann sind diese neueren Pillen der dritten und vierten Generation gemeint. Lifestyle-Pillen sind schon lange nicht mehr „Anti-Baby“ alleine… sie sorgen für eine gute Haut, volles Haar und eine schlanke Linie. Gleichzeitig erhöhen sie allerdings das Thromboserisiko um bis zu das Doppelte: Rund 9-12 pro 10.000 Frauen erleiden mit ihnen eine Thrombose, im Vergleich zu 5-7 Frauen mit einer Pille der zweiten ­Generation[15].

    Vor allem das Gestagen Drospirenon steht dabei in der Kritik. Es ist enthalten u.a. in den zugleich bekanntesten Pillen Yasmin und Yasminelle von Bayer, die mit mehreren schweren Komplikationen und sogar Todesfällen in Verbindung gebracht werden.

    Hier kannst du checken, welche Gestagene in deiner Pille enthalten sind:
    https://www.tk.de/tk/welche-pillen-gibt-es/769796

    Quellen:
    
    [1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/2353/umfrage/genutzte-verhuetungsmittel-und--methoden/
    [2] https://www.tk.de/tk/infografiken/arzneimittel/pillenreport/773068
    [3] https://www.beobachter.ch/gesellschaft/antibabypille-frauen-verzichten-immer-haufiger-darauf
    [4] https://www.tk.de/centaurus/servlet/contentblob/771128/Datei/75756/Pillenreport-2015.pdf
    [5] https://www.beobachter.ch/gesellschaft/antibabypille-frauen-verzichten-immer-haufiger-darauf
    [6] http://www.sueddeutsche.de/leben/jahre-antibaby-pille-in-deutschland-nicht-fuer-alle-leicht-zu-schlucken-1.1102606
    [7] https://www.beobachter.ch/gesellschaft/antibabypille-frauen-verzichten-immer-haufiger-darauf
    [8] http://www.elle.com/beauty/health-fitness/advice/a12605/birth-controll-pills/
    [9] http://www.elle.com/beauty/health-fitness/advice/a12605/birth-controll-pills/
    [10] https://www.tk.de/tk/risiken/770564
    [11] https://www.theatlantic.com/health/archive/2013/03/study-women-on-birth-control-pills-prefer-less-masculine-men/274464/
    [12] http://www.elle.com/beauty/health-fitness/advice/a12605/birth-controll-pills/
    [13] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/1999/daz-47-1999/uid-1619
    [14] https://www.beobachter.ch/gesellschaft/antibabypille-frauen-verzichten-immer-haufigerdarauf
    [15] https://www.tk.de/tk/risiken/770564
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