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  • Authentizität & Selbstliebe

    Mit Naked Yoga zu mehr Selbstliebe? Meine Erfahrung

    Nackt Yoga Erfahrung

    Bier Yoga. Ziegen Yoga. Und jetzt Naked Yoga? dachte ich, als ich bei Facebook auf das Event Naked Yoga for Women stieß; dann wurde ich neugierig und klickte mich zu der Event-Beschreibung durch:

    Let’s tap into deeper sensitivities of our body, mind, and spirit; may we swim in the JuIcY-ness that lives beneath the ‚masks‘ that we wear in our everyday lives, that we even wear in front of our own selves.

    Aha. JuIcY-ness also… ich versuche die versteckte Botschaft in dieser Schreibweise zu entdecken; JIY? JIY-ness? Und gebe auf. Wahrscheinlich ist das die erste Lektion, die Naked Yoga mir lehren möchte: let it go. Doch meine Neugierde auf dieses Entdecken der eigenen Juicyness ist geweckt…

    Bevor es weitergeht hier ein kleiner Einschub. Dieser Artikel hier war die erste Version meines Artikel, der schließlich im November 2017 bei der VICE erschien. Zusammen mit den Redakteuren dort habe ich den Text in einer zweiten Schleife nochmal stark angepasst, damit er besser zum „tone-of-voice“ des Magazins passt. Mir gefällt noch immer diese Version hier besser, da sie eben nicht so „juicy“ ist. Warum ich den Artikel jetzt nochmal in seiner ursprünglichen Version teile? Ich wurde gerade von Instagram für das Bild abgestraft, das ich damals gepostet hatte, um den Artikel anzukündigen: das Bild wurde gelöscht und mein Account für zwei Wochen stark eingeschränkt – zu viel Nacktheit für Facebook. Doch Nacktheit muss nicht immer in einem pornografischen Kontext stehen. Nacktheit steht auch für Freiheit und Natürlichkeit. Für ein gesundes Körperbewusstsein. Verbieten und zensieren wir Nacktheit, so äußert sich das zwangsläufig in irgendwelchen komischen gestörten Körperbildern, Schamgefühl, Selbsthass… Also:

    Hosen runter und Vorhang auf für meinen Nackt-Yoga Erfahrungsbericht

    Seitdem ich vor ein paar Monaten nach Berlin gekommen bin, habe ich schon ein paar solcher Erfahrungen gemacht, die man allesamt unter die Überschrift „bewusstseinserweiternde Maßnahmen“ packen kann. AcroYoga. Buddhistische Meditation mit dem Mönch Gen Ananda, der wahrscheinlich früher einmal Martin hieß. Oder Stefan. Chakren Reinigung. Ecststatic Dance. Und nun also Naked Yoga. Ich melde mich an.

    Einige Tage später, 19:45 Uhr, in einem Kreuzberger Yoga-Studio. Ich bin zu früh. Ein bisschen nervös nippe ich an meinem „World Peace“ Tee, den ich zuvor zusammen mit Danielle, der Yoga Lehrerin, in der kleinen Kaffee Küche gekocht habe. Wir sitzen am Boden und reden. Unsere Yoga-Matten formen einen Halbkreis, so dass man nicht hintereinander praktizieren muss. Warum brauche ich glaube ich nicht weiter ausführen; ich sage nur Downward Facing Dog…

    Noch sind wir angezogen.

    Danielle trägt Leo-Leggings, pinke Stulpen und ist mir sofort sympathisch. Erst mit Anfang 20 habe sie andere Menschen zum ersten Mal nackt gesehen, verrät mir die Amerikanerin. Als sie in ihrem Yoga-Studio dann zum ersten Mal Naked Yoga gemacht hat, habe ihr das einen ganz neuen Stolz auf ihren Körper und auf ihre Kurven ermöglicht. Sie sagt:

    It’s a gift to see other people naked.

    Diese transformative Kraft von Naked Yoga möchte sie nun auch an die Berliner Frauen weitergeben. Bislang fällt es Danielle aber schwer, hier in der Hauptstadt mit Naked Yoga Fuß zu fassen. Es brauche Zeit, Vertrauen aufzubauen und eine treue Yoga-Gruppe um sich zu scharen, erklärt sie mir. Vor allem, wenn es um das Thema Nacktheit geht, denn das erfordert Vertrauen und Sicherheit. Doch ist das Vertrauen erst mal da, ist die Loyalität groß. So ist in unserer Stunde auch eine Frau aus ihrem früheren Naked Yoga Kurs in San Francisco dabei.

    Nacktheit und Spiritualität – passt das überhaupt zusammen?

    In den Köpfen vieler meiner befreundeten Yoga LehrerInnen und Yoginis nicht. „Das hat doch nichts mit Yoga zu tun,“ schmetterten sie mir schon fast empört entgegen. „In Indien habe ich noch nie jemanden nackt Yoga machen sehen!“

    Doch woher kommt diese Abwehrhaltung von meinen sonst so toleranten und ausbalancierten Yogi-Freunden?

    Macht einen denn eine Lululemon Leggings zu einem besseren Yogi?

    Oder hat es vielleicht mehr mit den eigenen Ängsten und Unsicherheiten zu tun, der Angst vor Identifikationsverlust oder vor etwas Neuem? Schließlich ist Nacktsein doch das Natürlichste auf der Welt und nicht per se etwas Unanständiges. Was ist aus unserer kuscheligen FKK-Generation geworden?

    Die Vorurteile kommen wohl mal wieder durch die Medien. Naked Yoga wird von vielen gesehen wie der Pornostar des Yoga; ein bisschen verrucht und schmuddelig. Ein bisschen zu perfekt und künstlich (man schaue sich nur mal die Bilder der cellulitefreien Size Zero Models an, die Naked Yoga in den sozialen Netzwerken zu einem NSFW Trend gemacht haben @Nude_yogagirl). Und ein bisschen zu aufmerksamkeitsgeil, à la, wenn du Follower um jeden Preis haben möchtest, dann zieh dich aus. Sex sells. Doch was wir da sehen in Medien und auf den sozialen Netzwerken ist nicht natürlich. Sondern schön-geschminkt. Inszeniert. Bearbeitet. Selektiert.

    Die Tradition hinter Naked Yoga

    Tatsächlich steckt hinter Naked Yoga weit mehr als nur ein Hype auf Instagram. Naked Yoga folgt einer jahrhundertealten Tradition und hat nur wenig mit dem aktuellen Instagram Hype zu tun. In einigen indischen Sekten zum Beispiel verzichteten die Anhänger auf Kleidung, um ihre Abkehr von allem Materiellen auszudrücken; nackt praktizierten sie Yoga, nackt philosophierten sie und nackt spazierten sie über den Markt. Dabei wurden sie nicht nur geduldet von der Gesellschaft, sondern genossen gar ein hohes Ansehen. In unseren Breitengraden entdeckte vor allem die Hippie-Bewegung Naked Yoga für sich; mit Blumen im Haar und ja… sonst nichts am Körper.

    Der Kanal scheint das Problem zu sein. Denn wo Naked Yoga in der digitalen Welt einlädt zu Spannertum und Voyeurismus, wird das Sexuelle schnell entschärft, sobald der Spanner in der „offline Welt“ plötzlich selbst nackt auf der Matte steht. Naked Yoga und Social Media passen nicht zusammen. Es geht um die erlebte und gelebte Nacktheit in der Wirklichkeit. Nicht um Selbstdarstellung.

    Es geht darum, ein gesundes Verhältnis zu seinem Körper zu entwickeln. Es geht um Akzeptanz, Sinnlichkeit und Freiheit. Nicht um Sex.

    Etwas mehr Akzeptanz und Körperliebe (Neudeutsch Body Positivity) ist auch dringend nötig in Anbetracht der nackten Fakten zum Thema: 91% der Frauen sind mit ihrem Körper unzufrieden. 90% der Fälle von Magersucht und Bulimie betreffen Frauen. Jährlich werden mehr als 1,8 Milliarden Euro in Deutschland für Diätmittel ausgegeben. Wir Frauen scheinen kein besonders gesundes Verhältnis zu unserem Körper zu haben. Und das fängt schon bei jungen Mädchen an, die durch soziale Netzwerke, Hochglanzmagazine oder Sendungen wie GNTM nur noch mehr verunsichert werden. Mehr als 40% der 10-14 Jährigen sollen regelmäßig eine Diät machen. WTF?

    Mit Naked Yoga zu mehr Selbstliebe

    Also, mal schauen ob das funktioniert mit der Body positivity. Mittlerweile sind alle Teilnehmerinnen eingetroffen. Die Gruppe ist klein und besteht durchweg aus jungen Mädels zwischen 25 und 35. Wir ziehen die Vorhänge zu; durch den weißen schweren Stoff scheint noch die rote Beleuchtung vom Haus gegenüber hinein. Es riecht nach Räucherstäbchen; Kerzen brennen und tauchen den Raum in ein angenehmes Licht. Ich bin etwas angespannt.

    Ihr könnt euch nun langsam ausziehen. Macht das ganz bewusst.

    Ok, los geht’s… Doch wo soll ich anfangen? Ich entscheide mich für oben und pelle mich umständlich aus T-Shirt, Sport-BH, Yoga-Pants, Socken und Slip… Die Hüllen fallen. Keine Push-up BHs oder shaping Leggings mehr. Keine Marken oder oversize shirts hinter denen man sich verstecken kann. Meine Naked-Yoga-erfahrene Nachbarin ist schneller, in Null-Komma-Nix ist sie aus ihren Klamotten raus.

    Reflexhaft muss ich grinsen, die Situation erscheint mir auf einmal skuril: Eine Gruppe von Frauen die nackt auf ihren Yoga-Matten steht. Und ja, klar, man guckt sich auch die anderen an. Automatisch fangen die Augen an zu wandern und saugen die Eindrücke auf. Ein Ananas-Tattoo. Dunkelroter Nagellack auf den Fußnägeln. Ein blauer Fleck. Brustwarzen, große und kleine.

    „Streicht nun mit den Händen an euerm Körper entlang. Nehmt bewusst die Berührungen auf eurer Haut wahr“. Immer mehr kann ich mich darauf einlassen, das Grinsen verschwindet. Ich komme im Moment an und bin einfach nur da. Ganz für mich, ganz gelöst, ganz auf meiner Matte. Die Stunde, die im Ashtanga Stil unterrichtet wird, ist herausfordernd. Innerhalb von wenigen Minuten habe ich meine Nacktheit vergessen. Lediglich bei der Happy Baby Pose denke ich nochmal kurz „ok, mehr Entblößung geht wirklich nicht.“

    Ich merke, dass sich die Yoga Asanas anders anfühlen. Intensiver irgendwie. Und sie sehen auch anders aus. Man sieht, wie sich die Bauchdecke mit bewegt und verändert bei den Drehungen. Wie sich Muskeln unter der Haut anspannen. Sehnen dehnen. Ich fühle mich unperfekter. Und gleichzeitig perfekter.

     

    Nackt Yoga Erfahrung
    …nicht meiner, aber trotzdem ein süßer Po 😉 Hier das zensierte Instagram Bild

    Der Raum ist warm. Damit wir nicht frieren, hat Danielle am Anfang die Heizung voll aufgedreht. Ein leichter Schweißfilm bildet sich auf meinem Körper. Als wir eine Position in Bauchlage durchführen, hinterlasse ich auf meiner Matte einen Abdruck, der mich an die Bilder von Yves Klein erinnert.

    Während der Stunde wird, wie auch in anderen Yogaklassen, manchmal geseufzt; was sonst ganz selbstverständlich dazugehört, empfinde ich auf einmal ganz ohne Klamotten als etwas befremdlich. Das Anfassen der Lehrerin hingegen, die unsere Haltungen korrigiert, nicht.

    Bei der Abschlussentspannung dürfen wir unsere Socken anziehen.
    Ein lustiges Bild: keine Klamotten, aber Socken.

    Schließlich streifen wir wieder unsere Klamotten über, Hülle für Hülle. Ich schlüpfe in meine Marken Yoga-Pants. Meine Marken-Sneaker. Meine XXXL Daunen-Jacke, die mich vor dem Berliner Winter schützt [Anm. der Redaktion: es war November ;)]. Doch etwas hat sich verändert. Auch wenn das kitschig klingt:

    Ich habe das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein, im Einklang mit der Welt um mich herum. Ich fühle mich gut. Und sexy irgendwie. Das ist wahrscheinlich die Juicyness, die Danielle mit ihrer Beschreibung gemeint hat.

    Naked Yoga: Mein Fazit

    Wenn man Naked Yoga mit der richtigen Einstellung praktiziert, kann es eine spirituelle Erfahrung sein, ein Fest von Natürlichkeit, Selbstliebe, Verbundenheit mit der Natur und unseren Mitmenschen. Bitte also nicht in eine Box stecken mit Ziegen Yoga. Und wenn, dann nur mit Luftlöchern 😉

    Lasst es euch gut gehen, Pretties!
    Eure Insa

    💚

    PS: Für alle, die selbst einmal Naked Yoga in Berlin ausprobieren wollen: Breatheloveflow.com

     

    Nackt Yoga Erfahrung

    Quelle zu allen Zahlen: http://www.embrace-derfilm.de/#home
    Fotos: Rebacca Rütten für VICE
    Special Thanks: Kreuzberg Yoga
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